* 22. November 1914 Arolsen
✞ März 1990 an einer Herzattacke
Rudolfs Verhältnis zu seinen Schulkameraden und auch den Lehrern war sehr gut.
Er gehörte, wie die meisten Schüler des Gymnasiums, zum V.D.A. (Verein für das Deutschtum im Ausland) und sammelte begeistert für diesen.
An Pfingsten 1930 marschierte er stolz mit einer Gruppe von Mitschülern und Lehrern bei einer Großtagung in Salzburg mit.
Er beschrieb sich selbst als genauso deutsch und patriotisch gesinnt wie die anderen Nichtjuden, mit denen er aufwuchs.
Nach eigener Aussage verbrachte Rudolf in Arolsen eine glückliche Jugendzeit. Er wurde selten an seine Religion erinnert, antijüdische Bemerkungen gegen ihn konnten jedoch zu (manchmal auch körperlichem) Streit führen.
Bis 1932 besuchte er das Realgymnasium in Arolsen, in 2 Jahren wollte er Abitur machen, doch schon da, ein Jahr vor Hitlers Machtergreifung, wurde er von seinen Mitschülern ignoriert. Er stellte seine Freunde zur Rede, die ihm alle sagten:
“Du weißt doch, was los ist. Ich habe nichts gegen dich persönlich, aber wir dürfen keine Freundschaft mit Juden aufrechterhalten.“ (Winkelmann S.114 Z.10ff.)
Im selben Jahr verließ er die Schule und ging nach Frankfurt-Höchst, um dort im Kaufhaus Schiff eine kaufmännische Lehre zu beginnen.
Am 1.04.1933 war die Bar-Mizwa von seinem Bruder Erich, Rudolf kam während seiner Lehrzeit öfters zu Besuch zu seiner Familie, so auch dieses Mal, doch schon am Bahnhof erfuhr er von seiner weinenden Mutter, dass die Feier nicht stattfinden könne, da an diesem Tag der Boykott jüdischer Geschäfte war und die Verwandten ihre Geschäfte und Häuser deshalb nicht allein lassen wollten.
Ende 1933 wanderte er dann nach Holland aus, wo er seine Ausbildung in Amsterdam bis 1937 als unbezahlter Lehrling im Elektrohandwerk fortsetzte.
Rudolf heiratete eine Frau aus Holland und wanderte Ende 1937 nach Australien aus, um nach eigener Aussage in einem Land ohne “Rassenhass und Verfolgung, wo [er sich] eine neue Zukunft aufbauen kann” zu leben. (Winkelmann S.281)
Im März 1990 starb er während eines Urlaubs plötzlich an einer Herzattacke.
Begriffserklärung:
V.D.A.(Verein für das Deutschtum im Ausland): Ziel des Vereins war die Pflege der Bindungen von im Ausland lebenden Deutschen an Deutschland, besonders durch Schulunterricht; deutsche Sprache und Kultur im Ausland fördern z.B. durch Jugendaustausch, deutsche Schulen/Kindergärten, Medien im Ausland
Bar-Mizwa: Wichtige Zeremonie im Judentum, bei der Jungen im Alter von 13 Jahren als vollwertiges Mitglied der jüdischen Gemeinde anerkannt werden, er übernimmt nun alle religiösen Rechte und Pflichten (Mädchen mit 12 Jahren bei ihrer Bat-Mizwa)


Quellen:
Synagoge Vöhl (Lwenstein_Rudolf.pdf (synagoge-voehl.de))
„Auf einmal sind sie weggemacht“ von Michael Winkelmann
Arolsen Archives (Briefe zw. Winkelmann & Rudolf Löwenstein)