Das Außenkommando in Arolsen war ein reines Männerlager. Es gehörte zum KZ Buchenwald und trug den Decknamen „Arthur“. Die Häftlinge arbeiteten für die SS, die in Arolsen stationiert war. In Arolsen gab es eine SS-Führerschule und ein SS-Bekleidungslager. Die Häftlinge hatten im Vergleich zu Buchenwald bessere Bedingungen und so kam es auch, dass im Außenkommando kein Häftling starb. Die Arbeiten, die zu verrichten waren, lagen besonders im handwerklichen Bereich, jedoch gab es auch mehrere, die als Künstler für die SS tätig waren. Ein weiteres berufliches Feld lag in der Verwaltung, jedoch betraf dies nur einen geringen Anteil der Häftlinge.

Fakten:
- Anschrift: SS-Kommando/SS-Führerschule d.V.D – Arolsen/Waldeck SS-Kasernen – Tel. Arolsen 251 App.4. oder App.27
- Deckname: Arthur
- erste Erwähnung: 14.11.1943
- letzte Erwähnung: 29.03.1945
- Evakuierung: um den 25.03.1945
- „four days before liberation“
- Todesfälle: 0
- Häftlingskategorien: Polit. | A.S.R. | Pole | Polit. T. | Polit. B. | Pole A.S.R. | Polit. Lux. | Wehrunw. | Polit. Holl. | B.V.
- Massenvernichtungen: 0
- Ort der Arbeit: SS-Führerschule / SS-Bekleidungskammer
- Bewachung: SS
- Bekleidung: siehe Buchenwald (blau mit weißen Streifen)
- Häftlingsnummern: siehe Buchenwald
- Berufe: Schmied | Häftlingspfleger | Parkettleger | Koch | Kellner | Metzger | Schlosser | Bäcker | Maurer | Zimmerer | Maler | Betonarbeiter | Dachdecker | Tischler | Schuster | Frisör | Elektriker | Radiomonteur | Automechaniker | Schneider | Schweißer | Mechaniker | Dreher | Metallarbeiter | Riemenschneider | Melker | Sänger | Musiker | Maler | Buchhalter | Finanzbeamter | Gemeindesekretär | Gärtner
- Nationalitäten: Polen, Deutsche, Russen, Tschechen, Jugoslawen, Ungarn, Franzosen, Belgier, Holländer, Litauer, Ukrainer, Italiener
- Art des Lagers: reines Männerlager, Arbeitskommando
- Auswahl der Häftlinge: gezielt – anhand der Angaben in den Häftlings-Personal-Bögen

Einrichtung des Außenkommandos
Am 14.11.1943 kommen die ersten Häftlinge aus dem Konzentrationslager Buchenwald im Außenkommando in Arolsen an. In einem Lastwagen mit Plandecke ohne Abschlußvorrichtung und mit Sitzen im Inneren fahren die Häftlinge am Nachmittag los und kommen am selben Tag zwischen 21 und 22 Uhr in Arolsen an, so berichtet es der Häftling L. Majka.
„Als wir in der Nacht im Dunkeln ankamen, mußten wir von den Autos runter, abzählen, ob alle noch da waren, und in unsere Unterkunft. Wurde aufgeschlossen und hinein. Und was war das? Das war die ehemalige Schmiede! Die Decke, die Wände rußverdreckt. […I Das sollte unser Tagesraum und Schlafraum werden? Wir waren alle enttäuscht dadrüber. Haben wir gesagt: ‚Das geht doch nicht, das ist doch unmöglich, daß wir in so einem Stall unsere Tage verbringen sollen.‘ Und da hab‘ ich die Leute beruhigt: ‚Nun sucht euch erstmal eine Schlafstelle, wir schlafen erstemal diese Nacht darüber, und morgen versuche ich, den Kommandeur zu kriegen und mit dem zu sprechen, daß das unmöglich ist. Das kann nicht sein, daß wir in so einen Raum kommen.‘ Und wir haben jeschlafen dann, und am nächsten Tag früh hab‘ ich den Kommandeur aufjesucht, den Sturmbannführer K., mit dem hab‘ ich jesprochen. Da hat der mir jesagt: ‚Ja, das ist nur vorläufig, diese Unterkunft. Ihr sollt den großen Maschinenraum nebenan bekommen, das wird euer Tagesraum.“
Willy Apel
Bis Ende Dezember 1943 wird die Häftlingsunterkunft eingerichtet, kurz vor Weihnachten 1943 zieht das Kommando von der Schmiede in die einstige Waffenmeisterei um und bezieht dort die neue Unterkunft.
Einblick in die Struktur des Außenkommandos



Auswahl der Häftlinge
Die Häftlinge im Außenlager werden genau ausgesucht. Ins Lager werden die Häftlinge aufgrund ihrer beruflichen Qualifikationen gebracht und nicht nur aufgrund der körperlichen Kraft wie in anderen Außenlagern. Die erste Gruppe bestand aus qualifizierten Fachkräften für die Werkstätten, die zweite Gruppe aus Fachkräften für die Versorgung im Wirtschaftsgebäude und die dritte Gruppe aus Fachkräften für die Bauvorhaben der SS.
Leben im Außenkommando
- Unterkunft: Die ersten zwei Monate verbrachten die Häftlinge mit dem Ausbau der Waffenmeisterei zur Unterkunft. Der Fußboden bestand aus senkrecht in die Erde gerammten, öligen Holzpfählen. Diesen Raum sauberzuhalten war schwierig und so entstand auch ein „unangenehmer“ Geruch. Die Fenster ließen sich nur leicht oder gar nicht öffnen und so entstand auch ein schlechter Luftaustausch. Die Betten standen im „Sechser-Block“, jeweils drei übereinander. Zwei dieser Blöcke standen zusammen und dadurch konnten in dem 65m2 großem Raum 54 Betten Platz finden. In der Fahrzeugwerkstatt wurden 50 weitere Betten aufgestellt, als der Platz nicht mehr reichte. Als auch dieser Raum nicht mehr ausreichte, wurde ein dritter Häftlingsraum ausgebaut. Dieser befand sich in der alten Schmiede.
- Hygienische Verhältnisse: Die Räume der Unterkunft wurden täglich gereinigt, während alle an ihrem Arbeitsplatz waren. Die Wände waren verputzt und neu getüncht und so wirkte die Unterkunft einigermaßen sauber. Da die SS in nächster Nähe zu den Gefangenen lebte, hatte sie kein Interesse, dass die Gefangenen ausgemergelt und verdreckt waren und dadurch unterschied sich der hygienische Standard im Lager von anderen Außenlagern. Während in anderen Lagern die Häftlinge keine Bettwäsche mehr bekamen, gab es in Arolsen blau-weiß karierte Bettwäsche, die alle vier Wochen gewechselt wurde. Zum Waschen kam die Bettwäsche nach Buchenwald. Der Grund für dieses häufige Wechseln war, dass man sonst fürchtete Infektionskrankheiten und Ungeziefer unter den Häftlingen zu haben und dieses hätte auf längere Zeit auch zu einem Befall der SS-Schüler und Offiziere geführt.
- Medizinische Versorgung: Der Standortarzt der Waffen-SS war sowohl für die Leute der SS, als auch für die Häftlinge des kleinen Kommandos zuständig. Während des gesamten Bestehens war der Häftling Walter Erdmann als Häftlingspfleger für die medizinische Versorgung der Häftlinge zuständig. Der Krankenstand wurde monatlich dem Standortarzt des Konzentrationslagers Buchenwald gemeldet. Bei größeren Verletzungen wurden die Häftlinge nach Buchenwald übergestellt und auch bei ansteckenden Krankheiten, um die SS-Leute nicht zu gefährden. Aus diesem Grund verschwiegen Häftlinge oft Verletzungen oder arbeiteten trotzdem weiter
- Essen: Am Anfang des Außenkommandos gab es in Arolsen sehr schlechtes Essen. „Den ersten Tag kriegten wir Mittagessen, das war zusammenjeschüttetes Zeuch, das von der Kaserne kam. Was sie nicht jegessen hatten, wurde zusammenjeschüttet in die Kübel, und das setzten sie uns vor, das sollten wir essen.“ (Willy Apel). Das Essen war minderwertiger als in Buchenwald, da in der Kasernenküche Kessel fehlt. Durch die Intervention des Kapo Willy Apel verbesserten sich die Verhältnisse und durch die Gemeinschaftsküche für alle in der Kaserne wurde die Qualität hochwertiger. Die Häftlinge hatten bei der Arbeit häufig unbewachten Zugang zu den Vorratslagern und so konnten sie ihre Kost verbessern.
- Zusammenhalt: Besonders am Anfang des Kommandos herrschte Misstrauen auch unter den Häftlingen. Diese kannten sich nicht und mussten erst zusammenfinden. Dabei verbanden besonders gemeinsame Erfahrungen aus den KZs, wo die Häftlinge herkamen. Zu Beginn bildeten sich Gruppen nach der Herkunft der Häftlinge. Sie sprachen eine Sprache und konnten sich so gut verständigen. Für die ausländischen Gefangenen war es zunächst auch schwer, die deutschen Häftlinge zu akzeptieren. Nach einer heftigen Schlägerei musste das ganze Kommando gemeinsam handeln um nicht nach Buchenwald zurückgestellt zu werden und die Barrieren verschwanden weiter. Als der Häftlingstransport aus Dachau kam, wollten ein paar Häftlinge mit einem grünen Winkel (Berufsverbrecher) auch in Arolsen die anderen Häftlinge schikanieren, jedoch ging der Kapo Willy Apel dazwischen und verhinderte dies. Mehrere Dachauer „Berufsverbrecher“ arbeiteten eng mit der SS zusammen und hatten dadurch auch mehr Rechte, jedoch beeinflusste dies das Zusammenleben nicht wirklich, da die anderen Häftlinge eng zusammenarbeiteten. Neue Häftlinge wurden immer vorsichtig beobachtet, da immer ein Spitzel der SS befürchtet wurde.
- Kapo-System: Die SS-Leute schürten gezielt Gegensätze und Verunsicherung unter den Häftlingen, um diese besser kontrollieren zu können. Dabei setzten sie auch sogenannte Kapos ein. Diese waren selbst Häftlinge, die ein Arbeitskommando befehligten und über Arbeit und besondere Vorkommnisse dem SS-Kommandoführer Bericht erstatten musste. Sie mussten selbst oft nicht arbeiten, sondern teilten anderen ihre Arbeiten zu. Diese waren bei den anderen Häftlingen deswegen nicht beliebt, denn dieser gab Befehle, auch für Strafen. Er konnte sie war abmildern, aber er war trotzdem der, der die anderen bestrafte. Daher war der Verlust der Stellung als Kapo oft mit dem Tod verbunden. Als dann vier Häftlingen die Flucht aus Arolsen gelang, zog sich Willy Apel freiwillig aus Arolsen zurück nach Buchenwald, um den drohenden Gefahren zu entgehen.
Flucht
Am 4. Juni 1944 flüchteten 4 Häftlinge aus dem Arolser Außenkommando
- Planung: Die zwei Häftlinge Pierre Schaul und Nic Wolff waren die ersten beiden Häftlingen, die eine Flucht planten. Die beiden kamen aus Luxemburg und sollten nach Buchenwald zurück, da sie erwischt worden waren, als sie aus einem Keller Lebensmittel stehlen wollten. Um ihrem Schicksal zu entgehen, wollten sie flüchten. Dabei hatten sie drei Tage um die Flucht zu planen, da der Kommandant nach diesen zurückkommen sollte. Ein Offizier gab dabei Fernand Labalue Tipps zur Flucht. Nun planten die drei Häftlinge die Flucht und legten wegen ihrer Sprachkenntnisse als Ziel Luxemburg fest. Als der Häftling Adolf Korzynski die Fluchtplanungen mitbekam, schloss dieser sich auch den Unternehmungen an.
- Fluchtvorbereitung: Die Häftlinge reparierten ein altes Auto des Kasernenarztes, das unbenutzt war, um damit flüchten zu können. Sie wählten den Sonntag, da dort der Zählappell ausfiel.
- Die Flucht: Die Flucht wurde vom Oberscharführer Demmer relativ schnell entdeckt, jedoch wurde das fehlende Auto erst ca. 24 Stunden später entdeckt und so konnten die Häftlinge in dieser Zeit relativ weit gelangen. Hinter Trier trennten sich die vier, weil das Risiko zu viert entdeckt zu werden, wesentlich größer war. Alle kamen unbemerkt nach Luxemburg.
- Reaktionen: Die Häftlinge wurden wesentlich strenger bewacht und Willy Apel ging freiwillig nach Buchenwald zurück, da die SS einen Schuldigen suchte und er die Konsequenzen fürchtete.
„Bei dem Frisör, da war ein Keller, und da waren viele Mittelswaren, Lebensmittel. Und eines Tages wir haben gestohlen. Schinken und Wein. Aber da kam die SS, die Wache, und die zwei waren geschnappt, war der Schaul, Pierre und der Wolf, Nic. Ich bin in den Kohlen geblieben, darum war ich nicht geschnappt. Aber sie waren bestraft, und sie sollten gehängt, sofort, nach Buchenwald geschickt und gehängt.“
Fernand Labalue
Evakuierung des Außenkommandos und Todesmarsch

Als die amerikanischen Truppen immer näher rückten, wurde entschieden, dass das Lager „wegen Feindnähe“ zurück zum Lager Buchenwald sollte.
Die Evakuierung fand am 25.03.1945 statt, ein paar Tage vor der Ankunft der US-Armee in Arolsen. Alle Dokumente wurden mit eingepackt, damit sie der US-Armee nicht in die Hände fallen konnte.
Wegbeschreibung: Von Arolsen liefen die Häftlinge zu Fuß nach Volkmarsen. Von dort aus nahmen sie den Zug bis ca. 20 km hinter Kassel. Von dort aus liefen die Häftlinge zu Fuß weiter bis nach Buchenwald. Auf diesem Todesmarsch starb ein Häftling, dessen Name jedoch unbekannt ist.
Verfasser: Johanna Hofius & Lara Horn
Quellen:
Zimmer, Bernd Joachim (1994). Deckname Arthur: Das KZ-Außenkommando in der SS-Führerschule Arolsen
Online Archiv der Arolsen Archives
